Sunday, September 25, 2005

Schillers Glocke

Ja, das ist wohl einer der bekannstesten Texte der deutschen Literatur – und nicht umsonst: er enthält die Lebensphilosophie der bedeutendsten Epoche der deutschen Geschichte, der Weimarer Klassik.
Aber das eine ist es,den text zu lesen, das andere, ihn zu verstehen.
Hier kommen zunächst die Aufgaben:


Das Gedicht "Die Glocke" von Friedrich Schiller ist in sehr poetischer Sprache geschrieben, nicht alle Ausdrücke sind unmittelbar verständlich.

Hier können Sie testen, wie sicher Sie im Erkennen der literarischen Bedeutung sind.
Arbeiten sie bitte und auf jeden Fall zuerst für sich alleindie Fragen durch und unterstreichen Sie die richtige Lösung.
Vergleichen Sie erst dann in einem zweiten Schritt die Lösungen im Kurs.

Beantworten Sie sich am Ende der Auswertung die Fragen:

Wieviele Fragen habe ich richtig beantwortet?

12 11 10 8 6 4

Die richtigen Lösungen...

....habe ich gleich verstanden - konnte ich mir schnell erklären - ist mir erklärt worden - habe ich auch bis jetzt nicht alle ver
standen

Wie schwer war die Aufgabe für mich?

sehr leicht eigentlich leicht nicht schwer mittelschwer schwierig

Die Aufgaben
1.
Was unten tief dem Erdensohne
Das wechselnde Verhängnis bringt,
Welche Umschreibung ist hier die treffende:
die wechselnden Verhältnisse – das mitleidlose Sckicksal - der unbestimmte Zufall - das zufällige Schicksal

2.

Das Schönste sucht er auf den Fluren,

Womit er seine Liebe schmückt.
Welche Umschreibung ist hier die treffende:
die Naturschönheit - die schönsten Frauen - Blüten und Blumen - schöne Dinge aus der Wohnung

3.

Wie sich schon die Pfeifen bräunen!

Dieses Stäbchen tauch ich ein,
Sehn wir's überglast erscheinen,
Wird's zum Gusse zeitig sein.
Welche Umschreibung ist hier die treffende:
unsere Pfeifen sind ausgeraucht - die Abzugsrohre des Gussgefäßes verfärben sich - der Lehrling, die alte Pfeife hat das Gesicht zu dicht ans Feuer gehalten - eh, ist nur ein Joke!

4.
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.
Warum zerreißt der Gürtel?
Er ist ein Bild für das Band der Ehe - er ist eine Metapher für das Entkleiden vor dem Beischlaf - das Bild weist auf die Sitte hin, den Gürtel des Brautkleides unter die Hochzeitsgäste zu werfen (heute: der Brautkranz) - der Gürtel hat den Wahn zusammengehalten

5.
Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
Der reinlich geglättete Schrein ist:
der Hausaltar,den die Mutter versorgt - das, was heute das Bügelbrett ist - der mit Papier ausgelegte Schrank - die Wäschetruhe

6.
Ach! es ist die treue Mutter,
Die der schwarze Fürst der Schatten
Wegführt aus dem Arm des Gatten,
Dieser Ausdruck bezieht sich:
auf die mittelalterliche Vorstellung des Todes - die dämonologische Vorstellung des Todes - die antike Vorstellung des Todes -
auf die Vorstellung des Todes als Beauftragten Gottes

7.
Ach! des Hauses zarte Bande
Sind gelöst auf immerdar,
der treffendtse Ausdruck ist:
die zärtliche Gemeinschaft im Haus - die innerliche Verbindung der Kinder zum Elternhaus - die liebevollen Beziehungen der Geschwister untereinander und zu den anderen Hausbewohnern - Die pastellfarbenen Bändern, mit denen die Wäsche zusammengehalten wurde


8.
Durch der Hände lange Kette
Um die Wette
Fliegt der Eimer,
Was geschieht hier:
die Menschen halten sich an den Händen - sie wetten darum, wohin der Eimer fliegt - die Menschen bilden eine Eimerkette - die Menschen wetteifern miteiander, wer schneller den Eimer befördert

9.
Dem dunklen Schoß der heilgen Erde
Vertrauen wir der Hände Tat,

dieser Ausdruck
bezieht sich hier nur auf die Glockenform - meint die allgemeine Tätigkeit des Menschen mit Erde umzugehen - bezieht sich auf das religöse Verhältnis des Menschen zur Erde - steht für die Erdgebundenheit des Menschen


10.
Heilge Ordnung, segensreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
Frei und leicht und freudig bindet,
gemeint ist,
dass der Mensch vor allem Ordnung halten soll - dass die Ordnung der gesellschaftlichen Zustände unveränderbar ist -
dass die Sauberkeit und Ordnung Nutzen bringt - dass es eine von Gott gesandte Kraft gibt, die die Menschen zusammenhält

11.
Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen sie des Feindes Herz.
dieses Bild umschreibt
den typischen Zickenkrieg, wenn Frauen sich untereinander streiten - den Kampf der Geschlechter im Gegensatz zu der "züchtigen Hausfrau" - die Zuschauerinnen der Hinrichtungen während der französischen Revolution - die Schreckensvision der Frauenemanzipation


12.
Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
gemeint ist hier:
die Kraft der elektrischen Energie - die Errungenschaften der Aufklärung - die Erleuchtung durch Gottes Wort - der Blitz, der aus der "Wolke ohne Wahl" zuckt


zu den richtigen Lösungen:
1.
das zufällige Schicksal ist richtig.
Schiller glaubt an ein Schicksal, das dem Menschen auferlegt wird, das aber nicht von Gott selbst bestimmt wird, sondern durch eine dem Schicksal innewohnende Willkür

2.
Blüten und Blumen
Das ist ja eine relativ einfache Lösung; die Flure sind natürlich die Wiesen nund Weiden und nicht die Flure einer Wohnung

3.
Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
Gut,die Lösung, dass es sich um Lüftungsrohre des Gussgefäßes handelt, liegt hier wirklich nahe, nähere Auskunft, was das Faktische angeht, wohl verlässlich unter
http://www.lebensstufen.de/Index-Rest/Gedichte/gedichte_01.htm


4. er ist eine Metapher für das Entkleiden vor dem Beischlaf
Schiller orientiert sich hier an einem klassisch-antiken Kleidungsstück, das nur durch einen Gürtel zusammengehalten wird, wird dieser gelöst, ist die entsprechende Person schon quasi nackt. Dass hier das Wort "zerreißt" gebraucht wird, soll wohl über die implizite Bedeutung "gewaltsam" auf auf eine gewisse Leidenschaftlichkeit hinweisen.

5.
der mit Papier ausgelegte Schrank
Es handelt sich auf jeden Fall um einen Schrank, dabei bin ich mir mit dem Papier nicht ganz sicher; vielleicht meint Schiller auch einfach ein gut abgeschliffenes Brett im Schrank, oder er überträgt die Wörter "reinlich" und "geglättet", die sich eigentlich für die Wäsche selbst anbieten, auf den Schrank und verschmilzt auf diese Weise verschiedene Bedeutungsbereiche

6.
die antike Vorstellung des Todes
Auch in den Begriffen, die mit Religiosität zu tun haben, orientiert sich Schiller eher an der Bildervorstellung der Antike. Während im Christentum der Tod gleich neben dem Teufel steht und den absoluten Gegenpol zu dem auferstandenen Eröser darstellt, ist in der Vorstellung der Antike der Fürst der Schatten komplementär (ergänzend) zu der Welt der lebenden Menschen zu denken, die nach dem Sterben als "Schatten" in der Unterwelt leben.

7. die liebevollen Beziehungen der Geschwister untereinander und zu den anderen Hausbewohnern
Wie sich schon oben in dem Gedicht gezeigt hat, wird die Frau als Herrscherin des Hauses angesehen, das sie unabhängig von den Einsprüchen ihres Mannes verwaltet. "Das Haus" ist aber mehr als das Einfamilienhäuschen der modernen Zeiten, nämlich eine Lebensgemeinschaft von vielen Menschen: nicht nur die Familienangehörigen verschiedenster generationen gehören dazu sondern auch Dienstboten und Gesinde (manchmal in beträchtlichem Ausmaß), die - modern gesprochen - unter der Personalleitung der Hausherrin stehen. "des Hauses zarte Bande" sind das Ergebnis klugen Persnalmanagements.

8.die Menschen wetteifern miteiander, wer schneller den Eimer befördert
Natürlich ist auch das eine Eimerkette, besser gesagt, Schiller zeigt uns zwei parallele Eimerketten. Man darf nicht vergessen, dass leistungsfähige Pumpen für die Feuerwehr zur Zeit von Schiller noch nicht existierten, der schnelle Transport von Wasser konnte nur durch das Weiterreichen von Eimern bewerkstelligt werden.

9.
bezieht sich auf das religöse Verhältnis des Menschen zur Erde
Das ergibt sich aus den folgenden Zeilen, in denen eine Parallele hergestellt wird zu dem Saatgut und der Totenbeisetzung. Der Erde wird dadurch eine quasi-religiöse Erneuerungskraft zugeschrieben.

10.
dass es eine von Gott gesandte Kraft gibt, die die Menschen zusammenhält

Allerdings ist an dem Lösungsvorschlag "dass die Ordnung der gesellschaftlichen Zustände unveränderbar ist" richtig, dass unter dem Begriff der "Ordnung" die gesellschaftliche Ordnung gemeint ist, wie im lateinischen Ursprungswort ordo, ordinis und wie er heute noch in dem Wort "Ordnungspolitik" gebräuchlich ist. Schiller sieht die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit als eine von höheren Mächten gewollte Struktur an, gegen die der Mensch nicht ankämpfen sollte.

11.
die Zuschauerinnen der Hinrichtungen während der französischen Revolution
Wie viele andere deutsche Intellektuelle war auch Schiller von der französischen Revolution zunächst begeistert, stellte sie doch in gewisser Hinsicht den Triumph der Aufklärung über eine abgelebte und geistig bornierte Herrschaft dar. Durch den Terror der Jakobiner, der die Bevölkerung Frankreichs durch blutige Hinrichtungen zu bürgerlichen Tugenden zwingen wollte, wurden er und viele andere aber abgestoßen. Dabei war es insbesondere das Publikum der Hinrichtungen, das die moralische Verderbtheit des Terrors augenfällig machte und unter dem Publikum vor allem Frauen, die z.T. Stammgäste waren und die Hinrichtungen mit zynischen und obszönen Bemerkungen begleiteten und dabei Strümpfe strickten.

12.
die Errungenschaften der Aufklärung

In Darstellungen aus dem 18. Jht. wird die Aufklärung fast ausschließlich als ein weiblicher Genius dargestellt, der den Menschen Licht in Form einer Fackle bringt. Ein Genius wird ja wie die Musen als ein Wesen zwischen Göttlichem und Irdischem angesehen.

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