Friday, May 12, 2006

Was in Klausuren erwartet wurde

Hier findet hier noch einmal alles, was ich euch geschrieben habe zu den zurückgegebenen Arbeiten. Manches ist nur verständlich, wenn man die Fragen dazu nimmt, aber über die verfügt ihr ja sicher.


Die erste Klausur ging über "Die Braut von Korinth"
Der ausgegebene Text war aus dem Netz und war der Folgende

"Ballade" bedeutet ursprünglich eigentlich Tanzlied (von "ballare" = tanzen): am Anfang war die "Ballata" ein Tanzlied mit Refrain. Daraus wird dann in der europäischen Tradition ein Erzähllied, wobei der Refrain meistens wegfällt.
Die Balladen, die wir kennen, sind meistens Kunstballaden. Bevor sich aber die Kunstballade entwickelt hat, gibt es eine lange Tradition der Volksballade, die, vor allem in England und Schottland, dämonische und magische Stoffe aufnimmt ("numinose" oder "naturmagische" Ballade).
Solche naturmagische und auch Geisterballaden gibt es auch bei Goethe: Goethe liebt das Geheimnisvolle und Mysteriöse, in dem sich für ihn eine ältere Denkform ausdrückt. Eine magische Denkform, die im Gegensatz zur aufgeklärten Vernunft steht und von dieser auch nicht begriffen werden kann. In Goethes Balladen bricht immer wieder eine mythische Wirklichkeit in die Welt ein. Das durch Vernunft Verdrängte kehrt zurück und rächt sich für seine Unterdrückung. Das gilt schon für seine frühen Ballden (Sturm und Drang), Der Fischer (1778) und Der Erlkönig (1782).
Im Erlkönig bricht das Dämonische in die rationale Welt des Vaters ein, der alles vernünftig erklären will. Große Dramatik durch die direkte Rede (Mittel des Dramas!). Konsens besteht inzwischen darin, dass man den Vater nicht als (einzigen) Perspektivpunkt ansehen kann. Der Vater leugnet den numinosen Bereich, modern gesprochen: den Bereich des Unbewussten, des Begehrens, des Sexuellen.
Das Kind hat rein zu sein und koste es sein Leben. Die sexuelle Verführung wendet sich an die bisexuelle Veranlagung des Kindes: deswegen das Doppelangebot des Erlkönigs ("willst, feiner Knabe, du mit mir gehn", "meine Töchter"). Auch in der Ballade Der Fischer geht es um erotische Verführung, hier durch eine Nixe: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin, / Und ward nicht mehr gesehn."
Goethe verwendet also die numinose Ballade oder die Geisterballade, um die unbewussten Begierden des Menschen, seine Natur im Gegensatz zur Vernunft zur Sprache zu bringen. Er begibt sich damit in Gegensatz zu Schiller, der die Ballade veredeln will und sie einer sittlichen Idee unterstellt.

So bleibt für Goethe die Ballade immer an ihrer Herkunft orientiert: der englisch-schottischen Volksballade, die das Mysteriöse, Rätselhafte und Unheimliche der Existenz gestalten.
Die Braut von Korinth wäre für Schiller ein inakzeptabler Stoff gewesen.

Während Goethe die Macht des Unbewussten darstellt, geht es Schiller um die Darstellung eines sittlichen Ideals. Schiller hat die Verbindung zur englisch-schottischen Volksballade ganz abgeschnitten. Seine Balladen sind nicht unheimlich und magisch; sie spielen nicht in der Welt des Aberglaubens, es gibt keine Geister oder Gespenster, höchstens Zusammenstöße mit der Naturgewalt, die den Menschen vernichtet.

http://www.ph-freiburg.de/php3-cgi/nntp/article.php3?id=51&group=de.phfr.deutsch.einfuehrung.pfeiffer

leider funktioniert der lnk nicht mehr, so dass ich auch keine andere Quelle angeben kann


Erwartungshorizont Klausur Nr.1 GK 12.1 Peters

Aufgabe 1
a)
Dies war eine etwas andere Aufgabe als die, einen Text zu reproduzieren: es war möglich, eine Auswahl zu treffen und den Inhalt dieser Auswahl zunächst wiederzugeben.
Relevant konnten die folgenden Punke sein:
Herkunft des Wortes Ballade (aber die zeigt hier eigentlich nur, dass dasUrsprungswort manchmal denkbat wenig über die Sache aussagt!)
Abstammung der Ballade von der Volksballade (Was ist das eigentlich?)
Entwicklung von der Volksballade zur Kunstballade
Innerhalb der Kunstballade Wiederaufnahme der englisch/schottischen Tradition der "numinosen" oder "naturmagischen" Ballade Goethes Wahl
Gegensatz (nicht Widerspruch!) zur aufgeklärten Vernunft (die nur Geprüftes gelten lässt)
Es gibt mehr als das, was die Vernunft gelten lässt ( nicht: es gibt nur noch das und Vernunft ist nicht wichtig! ); das, was nicht zur Geltung kommen darf, kommt zurück und nimmt sich mehr von Leben der Menschen als ihm zukommen darf ( der Begriff der Rache mit anderen Worten ausgedrückt)
Beispiele aus Goethes Werk (wenn bekannt!)
Das ins Unbewusste Verdrängte ist vor allem der Bereich des Begehrens, der Sexualität ( in anerkannter männlich/weiblicher oder in nur verdeckt gelebter pädophiler Form). In zwei Balladen ist es das weibliche Begehren, das Thema wird (Nixe, Braut).
Im Fall der Nixe wird deutlich: dies ist ein Naturwesen, ungezähmt durch Konvention, das seiner Begierde freien Lauf lässt, im Falle der Braut von Korinth ein Wesen, das durch den Tod jenseits gesellschaftlicher und sogar menschlicher vernünftiger Konventionalität steht; diese Wesen bringen das Recht des Unbewussten gegenüber dem aufgeklärten Vernunftwesen zur Geltung.

Goethe im Gegensatz zu Schiller und seiner Ideenballade, die die Darstellung sittlicher Vervollkommnung zum Ziel hat.
b)
Wenn alles davon gleich wichtig wäre für das Verständnis, dann gäbe es ein Problem: das dauert lange, um das wiederzugeben, deshalb die Chance der Auswahl und die Verpflichtung, sie zu erläutern.
Über den Begriff der "Folie für das Verständnis" haben wir gesprochen – es war nützlich, dies ganz kurz zu erinnern und dann zu zeigen, welche Inhalte hier wirklich etwas Neues sichtbar machten. Also war darzustellen: was ist das Neue? Was hat es für mich sichtbar gemacht, was ich vorher nicht gesehen hatte.

Aufgabe 2

Der zentrale Satz ist : "Wie löst sich die Situation in dem Zimmer auf?" Und darauf bezogen: "Imaginiere einen Schluss der Ballade, der dir plausibel erscheint."

Eine solche Frage in einer Klausur, die schon eh eine sehr geringe Materialgrundlage hat, sollte (einsichtiger Weise) auf diesen Text bezogen werden: Wie geht diese Ballade von Goethe mit diesen Charakteren aus?
Es ist die ureigene Aufgabe des Deutschunterrichtes, danach zu fragen, wie jemand einen Text verstanden hat – und das kann auch in dieser Form geschehen, einen Schluss zu finden, der dazu passt, weil man an der Fortsetzung erkennen kann, was für das Verständnis des Lesenden so wichtig war, dass es fortgesetzt werden musste.
Mit den vielfältigen z.T. differenzierten z.T. primitivsten Elementen des kommerziellen (auf das einfachste und undifferenzierteste Verständnis des Publikums abzielenden) Phantasmen des Vampir-Genres konnte hier nichts gewonnen werden, denn diese Braut liebt es nicht ein Vampir zu sein: Trauer und Verzweiflung ist das vorherrschende Gefühl; und der Jüngling , der eben noch so zur Erfüllung seiner Lust drängte, ist er wirklich der um Gnade Jammernde , der seine Wahl Verfluchende oder ist er nicht der, der sich so verhält, wie man es von einem Jüngling erwartet, der ein Mann werden will, dass er nämlich zu seinem Begehren steht und sich mit dieser Braut vereinigen will, für ewig?
An der Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte habe ich die Qualität der Lösung dieser Aufgabe gemessen.
Überall dort, wo ich etwas über die Motive und (auch durchaus moralischen) Beweggründe der handelnden Personen in der Lösung erfahren habe, wurde dieser Qualitätsstandard erfüllt.

Aufgabe 3

Zentral für diese Aufgabe sind die Begriffe "Transformation" und "Gestaltungsvorschläge". Der erste Begriff war Bestandteil des Arbeitsauftrages im Unterricht: es ist eine Form gegeben, die die vorgegebenen Gestaltung auf in sich stimmige Weise in eine andere Form überführt; das Interesse lag daran zu sehen, wie Veränderungen, die ursprünglich vorgenommen wurden wegen der spezifischen Form andere Transformationen nötig machen. Mit den Gestaltungsvorschlägen muss sich die Klausur darum bescheiden, weil für die Gestaltung selbst keine Zeit bleibt.
Obwohl also beide Aufgaben auf den gleichen Inhalt zielen, nämlich die Auflösung der Schlusssituation in der "Braut von Korinth" , werden für beide unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Nun ist es allerdings so, dass eine undifferenzierte Lösung in Aufgabe 2 eine genau beobachtende und hochkreative Lösung in 3 fast unmöglich macht, es sei denn durch eine Ironisierung oder durch Selbst- Parodieren, dennoch handelte es sich um zwei verschiedene Aufgaben, die nicht durcheinander zu bringen waren. Der Bewertungsmaßstab war hier, wie reflektiert und wirkungsbewusst die Vorschläge waren und welchen Neuigkeitswert sie für die Lösung haben – so versteht es sich von selbst, dass für die Braut eine ältere Frau gewählt wird, oder dass die Vorgänge in einer Mondnacht stattfinden; Klischees und Stereotypien stehen an einem Ende der Skala und originelle Lösungen oder solche, deren Wert sich nicht schon von selbst erklärt, sondern Ergebnis von Nachdenken ist, am anderen Ende.

In den Lösungen beider Aufgaben habe ich sehr bewusst danach gesucht, ob sich eine Spur des vorgelegten Textes in ihnen findet, insbesondere, ob die These, dass die Gestalt der untoten Braut aus dem Unbewussten, seinen Begierden und Ängsten entspringt.
Eine wenig unterscheidende Aufnahme des Textes fand ich in dem imaginierten Ende, in denen die Braut zu einem sich bösartig rächenden Wesen mutiert, weil der Begriff der Rache hier nicht auf ein einzelnes Wesen bezogen wird, sondern das Erscheinen des Unbewussten in Form eines Gespenstes, das sich nicht wegleugnen lässt, ist selbst die Rache an der Vernunft.




Die zweite Klausur ging schon um den Faust:


Erwartungshorizont Klausur Nr. 2 Thema Faust

Aufgabe 1
Aus dem durchgearbeiteten Teil des Urfaust wird in dieser Fortsetzung vor allem die Erscheinung des Erdgeistes wieder aufgenommen, dem Faust sich verwandt fühlt, obwohl er den Anblick zunächst nicht erträgt (einen" furchtsam weggekrümmten Wurm" nennt ihn der Erdgeist; Faust überkam ein Vernichtungsgefühl, das sich auch hier ausdrückt ("dem Wurme gleich ich, der den Staube durchwühlt"), Faust hat die Kränkung, dass er als "Ebenbild der Gottheit" (hier im Text nennt er sich "mehr als Cherub") nicht dem Erdgeist gleicht, noch nicht verwunden.
Faust sieht sich zurückgestoßen in die Welt des Staubes und der Motten, die Welt seiner Studierstube, die vollgestellt ist mit altem unbrauchbaren Zeug , in der sich gefangen und eingeengt fühlt ("weh, steck ich in dem Kerker noch..."). Wollte Faust in der Eingangsszene "erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält" so spricht er hier von den Geheimnissen der Natur, die sich "ihres Schleiers nicht berauben( lässt)"; der "Urväterhausrat", den Faust in der Eingangsszene als "dreingestopft" erlebt, spricht er mit den Instrumenten der veralteten Wissenschaft noch einmal an, die nur da sind "weil (euch) mein Vater brauchte", sogar das "angeraucht Papier", mit dem die Regale seines Arbeitszimmers "besteckt" sind tauch hier als "angeschmauchte Rolle" wieder auf.

Aufgabe 2
Adern finden sich im eigentlichen Sinne nur bei Lebewesen (Bäumen und Tieren), in ihnen zirkuliert die für die Aufrechterhaltung des Lebens essentiell wichtige Flüssigkeit, bei Tieren das Blut
Wenn von den "Adern der Natur" gesprochen wird, überträgt diese Merapher die Eigenschaft "Körperlichkeit" auf den abstrakten Begriff "Natur", die ja keinen Körper hat, sondern vielmehr das schlechthin Gegebene bezeichnet, von dem alles, was sich in der Welt findet ein Teil ist. Diese Art metaphorischer Übertragug nennt man auch "Personifikation"

Manche Motten (die, die Menschen in ihrem Haushalt vor allem fürchten) leben
von Kleidern oder Getreide, die nicht sorgsam geschützt sind oder die selten oder nicht gebraucht werden, in dunklen Ecken oder staubigen Kästen, sie sind eklig und unerwünscht. Alte unbrauchbare Kleidung ist oft von Motten zerfressen. Der begriff "Welt" wird hier genauso gebraucht, wie in der Eingangsszene ("Das ist deine Welt, das heißt eine Welt") im Sinne von Lebenswelt, persönliche Umgebung. Also ist der persönliche Kosmos einer, der so alt und unbrauchbar verstaubt im Dunkel liegt, dass sich die Motten über ihn hermachen. Diese Welt so schnell wie möglich loszuwerden ist schon fast körperliches Bedürfnis.

Nicht nur (weise???) alte Männer haben Bärte, sondern vor allem auch Schlüssel und diese Bärte können sehr einfach sein aber auch kompliziert geformt, damit das Schloss, das sie verwahren, nicht mit einem Stück gebogenem Draht zu öffnen ist.
Das Öffnen geschieht ja dadurch, dass ein Riegel mit Hilfe des Schlüssel beiseite geschoben wird. Also sind diese Instrumente zwar kompliziert, aber das macht sie nicht tauglicher, das Schloss zu öffnen - sie passen nicht.


Ein Schleier ist in gewisser Weise ein paradoxer Gegenstand. erverhüllt etwas, entzieht das, was er bedeckt der Sichtbarkeit, aber zugleich zeigt er, dass eer etwas verhüllt. Das Wort "verstecken" oder "unsichtbar machen" trifft unter diesem Aspekt den Begriff "Schleier" nicht.
Das Wort "Schleier" verbindet sich fast automatisch mit dem Begriff "Braut". Die Braut ist verschleiert für alle Anwesenden, der Bräutigam darf den Schleier heben oder für ihn hebt ihn die Braut – die Symbolik ist mehr als deutlich! Es ist darin enthalten: den Schleier zu lüften heißt, die Braut (die Frau) in Besitz nehmen, das Anschauen ist für den Schleier nur die gemilderte Form des Anfassens.
Sich den Schleier nicht rauben lassen heißt also, sich nicht gefallen lassen, dass jemand mit Gewalt Besitz ergreift von der Verschleierten.
In diesem Bild wird wieder die Natur als weibliche Person gezeigt, von der gierige Hände Besitz ergreifen wollen, gegen die sie sich verteidigt, sie läßt sich ihre Schleier nicht rauben - mag sein, wen der rechte Bräutigam kommt...

Aufgabe 3
Und diese hohe Wand aus hundert verstaubten Fächern engt ich ein, all diese Sachen, die ein Lebensraum für Motten sind, bedrängen mich. Hier soll ich finden, was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen, dass sich immer wieder die überall die Menschen gequält haben und dass ab und zu einmal ein Glücklicher dabei war?
Was grinst du hohler Schädel mich an? Du warst doch einst genauso verwirrt wie ich, hast ein wenig Zerstreuung und Lebensfreude gesucht, nur um in der Dämmerung wieder festzustellen, dass die Sehnsucht nach Wahrheit immer noch ungestillt ist.
Ihr altbewährten Instrumente verspottet mich jetzt, wart aber Schlüssel, die eigentlich nie irgendeine Tür geöffnet haben. Die Natur läßt sich selbst am helllichten Tag nicht durchschauen und was sie nicht von sich aus preisgibt, das bekommst du auch mit noch so guten Geräten heraus.
Das alte gerät hab ich nie gebraucht, es ist nur hier, weil es mein Vater hier gelassen hat.
Meine wenige zeit und mein Geld hätte ich auch besser investieren als hier mit diesem Zeug zu versauern.
Was man vererbt bekommt, hat man nur um es zu besitzen und was man nicht benutzt, wird zu einer schweren Last.Nur, was von hier und heute ist, kann man wirklich gebrauchen. (Schülerlösung)